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Der Seelsorger als Libero – eine pastoraltheologische Skizze

In der klassischen Fußballmetapher steht der Libero für die freieste Position auf dem Spielfeld: ohne feste Bindung an eine Linie, beweglich zwischen Abwehr und Angriff, stets auf das Ganze bedacht. Übertragen auf Seelsorge markiert diese Figur ein Modell, das sich von institutioneller Einbindung und dogmatischer Festlegung unterscheidet.

Seelsorge in dieser Perspektive ist nicht primär eine Funktion im System der Kirche, sondern eine existenzielle Praxis. Der Seelsorger agiert „frei“, weil er nicht in erster Linie die Interessen einer Institution vertritt, sondern die subjektive Lebenssituation des Adressaten. Seine Autorität ist nicht abgeleitet, sondern relational – sie entsteht im Moment des Gesprächs, im geteilten Atem, im Resonanzraum von Körper und Geist.

Dieses Modell nimmt die leibliche Dimension ernst: Seelsorge geschieht nicht nur durch Worte, sondern durch die Präsenz eines Menschen, der mit seiner Körperlichkeit und Geistigkeit gegenwärtig ist. In dieser Gestalt verkörpert der Seelsorger eine Haltung der Offenheit, die sich an keine vorgegebene Spielordnung bindet, sondern am Einzelnen orientiert.

Damit wird Seelsorge als „cura animarum“ nicht zur Reproduktion kirchlicher Dogmatik, sondern zur Bewegungsspielart, die Freiräume eröffnet: den Raum der Wahrnehmung, der Deutung, der Entlastung – und letztlich den Raum, in dem Transzendenz aufscheinen kann.

Verweise: Friedrich Schweitzer – zur weiten, kontextsensitiven Praxis der Praktischen Theologie

„Der Verfasser versteht diese [Pastoral-]Praxis in einem sehr weiten Sinne (über die Kirche hinaus; über die herkömmlichen Formen von Predigt, Unterricht und Seelsorge hinaus; über den Schwerpunkt bei der Professionalität von Pfarrern hinaus)“ Publikationsserver Universität Tübingen.

Dieses Zitat unterstreicht dein Bild des Seelsorgers als freier „Libero“: nicht orts- oder institutionengebunden, sondern flexibel und kontextoffen – jenseits klassischer Rollenzuschreibungen.

Emmanuel Y. Lartey – zur interkulturellen, emphatischen Seelsorge


„We must move beyond simple, mono-cultural, and individualistic notions of care to understand the complex web of care that is expressed wherever people respond to one another with empathy, love, and justice.“ Dr Ernest Musekiwa

(Lartey argumentiert, dass Seelsorge nicht eindimensional kulturell oder individualistisch verstanden werden darf, sondern als ein komplexes Geflecht von Empathie, Liebe und Gerechtigkeit.)

Dieses Zitat betont eine situativ sensible, empathische Haltung, die ebenfalls zur Metapher des „freien, achtsamen Libero“ passt.


Seelsorgerin und Seelsorger als Libero in Kirche und Gemeinde

Der Libero ist frei – aber nicht ohne Mannschaft. Er bewegt sich innerhalb des Spiels, das von Regeln, Raumaufteilung und kollektiven Aufgaben bestimmt ist. Übertragen auf Kirche und Gemeinde bedeutet dies: Seelsorge geschieht nie im luftleeren Raum. Sie steht in einem Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und institutioneller Einbindung.

Gerade darin wird der Libero zum Bild für eine kreative Funktion in der Institution Kirche: Er ist nicht an eine feste Linie gebunden (Predigt, Unterricht, Verwaltung), sondern kann dort eingreifen, wo es notwendig ist – in Krisen, an Bruchstellen, im Unsichtbaren. Er verkörpert jene pastorale Beweglichkeit, die Strukturen durchlässig macht und Gemeindeleben lebendig hält.

Dabei gilt: Ein Libero ist nicht der Gegner der Institution, sondern ihr beweglichster Teil. Er macht sichtbar, dass Kirche nicht nur durch Ordnung, sondern auch durch Offenheit existiert. In diesem Sinn verweist Seelsorge als „freies Spiel“ auf das Evangelium selbst, das jenseits von Rollen und Ämtern Gestalt gewinnt. Das lässt sich auch literarisch bzw. pastoraltheologisch absichern, etwa mit: